„Klimatechnik ist mein Hobby und mein Beruf – und immer wieder faszinierend.“
Locker im Umgang, klar in der Sache: Steffen Röhm schwankt nur kurz zwischen Flammkuchen und Hüftsteak und entscheidet sich für letzteres. Anschließend lässt er keinen Zweifel aufkommen: Er ist begeistert von Klimatechnik und kennt sich auch mit Normen, Verordnungen und regulatorischen Vorgaben im Detail aus.
Herr Röhm, kann Klimatechnik Spaß machen?
Mir auf jeden Fall. Ich bin seit mehr als 30 Jahren dabei und sie begeistert mich immer wieder aufs Neue. Die technischen Möglichkeiten, die regulatorischen Vorgaben und die Entwicklung von individuellen Lösungen sind hochspannend.
Dabei gibt es aber immer neue Vorgaben zu beachten?
Ja, das ist so und das ist zum Teil auch gut so. Denn zum einen werden technische Lösungen dadurch standardisiert und sicherer. Zum anderen sorgen Standards, also Normen und Richtlinien, dafür, dass Anforderungen wie Temperaturkonstanz oder Luftqualität und die Messverfahren standardisiert werden. Damit wird auch für den Betreiber oder Nutzer nachvollziehbarer, was er bekommt. Weil sie festlegen, wie eine Anlage geplant und gebaut werden sollte und welcher Wert wie, wo und wann zu messen ist. Es gibt dadurch weniger Grauzonen und für Kunden mehr Klarheit. In Annex 1 des euGMP-Leitfadens wurden zum Beispiel wichtige Anpassungen gemacht. Dabei wurden einige Themen, bei denen es bisher viel Interpretationsspielraum gab, eindeutiger geregelt. Das vereinfacht Planung, Umsetzung und Betrieb und bietet mehr Sicherheit, auch für den Betreiber.
Inwiefern steigt die Sicherheit durch Annex 1?
Nehmen wir ein Beispiel: Bisher war beim Schleusenkonzept für Reinräume festgelegt, dass keine Zone übersprungen werden darf. Viele Details dazu waren aber nicht geklärt, jeder hat seine eigene Lösung entwickelt. In Annex 1 ist jetzt festgelegt, dass für den Übergang von Reinraumklasse A und B getrennte Schleusen für das Ein- und Ausschleusen vorhanden sein sollten. Wir haben das bei Weiss Klimatechnik schon lange so empfohlen, weil es die Kontaminationsgefahr senkt. Jetzt ist es eindeutig beschrieben für alle und das erhöht die Sicherheit. Dazu gibt es aber noch eine Reihe weiterer Themen, die in Annex 1 genauer gefasst sind.
Was bedeuten solche Änderungen für Bestandsanlagen?
Das kommt auf den Einzelfall an. Grundsätzlich gibt es aber keinen Bestandsschutz bei Änderungen. Wenn ich einen Reinraum umbaue, muss eine Qualifizierung durchgeführt werden. Es kann aber sein, dass technische oder bauliche Gegebenheiten eine Umsetzung, wie jetzt im Annex 1 beschrieben, verhindern oder die Änderungen unwirtschaftlich werden lassen. Dann muss geprüft werden, wie beispielsweise über organisatorische Maßnahmen ein im Annex 1 formuliertes Ziel trotzdem erreicht werden kann.
Gibt es mit Annex 1 dann keine Interpretationsspielräume mehr?
Doch. Zwar gilt der euGMP-Leitfaden und beispielsweise der Annex 1 für die gesamte EU, aber es gibt dennoch Unterschiede in der Interpretation und Umsetzung. Jede national prüfende Behörde legt den Leitfaden nach eigenem Verständnis aus. Die in Deutschland für die Umsetzung zuständigen Regierungspräsidien finden unter Umständen nochmal eine im Detail andere Interpretation. Diese muss aber in jedem Fall in dem vom Leitfaden definierten Rahmen liegen. Und der ist so eng wie möglich gefasst.
Das ist aber für viele Unternehmen schwer zu verstehen, oder?
Definitiv. Wer heute einen Reinraum plant, holt sich meist Unterstützung bei einem Berater mit Erfahrung im regulierten Umfeld für pharmazeutische Hersteller. Wir sind bei Weiss Klimatechnik keine GMP-Berater, aber wir beraten sehr weitgehend bei der Planung und Ausführung der Klimatechnik. Beispielsweise bei den Themen Auslegung der Luftvolumenströme, Luftführung, Zonenkonzepte, Materialfluss, Schleusenkonzept und Monitoring. Über unsere Schwesterfirma Weiss Pharmatechnik beraten wir auch zu Isolatoren, Werkbänken und anderen Teilen der Reinraum-Ausstattung.
Sie arbeiten auch selbst in Normengremien mit. Wie geht das?
Ich bin seit mehr als 20 Jahren für den VDI aktiv in der Richtlinienarbeit und versuche national und international Standards, Stand der Technik, allgemein anerkannte Regeln der Technik und Richtlinien umzusetzen. Und zwar so, dass diese auch anwendbar sind.
Ist das nicht ein ziemlich trockenes Geschäft?
Ganz im Gegenteil. Das ist hochspannend. Schließlich geht es um die Anwendung von Klimatechnik, in meinem Fall für Rein- und Messräume. Ich bin unter anderem im Fachausschuss Reinraum-Technik beim VDI aktiv, wo wir uns ausschließlich mit Richtlinien rund um die Reinräume beschäftigen. Das machen wir, je nach Thema, in einem Ausschuss mit bis zu 20 Personen aus unterschiedlichen Bereichen und Unternehmen. Dazu gehören Planer, Anlagenbauer, Institute und Betreiber von Reinräumen ebenso sowie Behördenvertreter.
Hört sich nach viel Arbeit an, oder?
Das kommt darauf an. Manchmal geht es nur darum, ein vorhandenes Blatt an eine technische Neuerung anzupassen, zu erweitern oder zu ergänzen, in anderen Fällen muss ein komplett neues Blatt entwickelt und abgestimmt werden. Das ist dann aufwändig und dauert vom ersten Entwurf bis zur verabschiedeten Richtlinie länger.
Was hat Ihr Arbeitgeber Weiss Klimatechnik von dieser Arbeit?
Wer Reinräume plant und baut, übernimmt eine große Verantwortung. Deshalb gehört es im Selbstverständnis von Weiss Klimatechnik dazu, bei der Entwicklung bestmöglicher Standards mitzuwirken und sinnvolle Lösungen zu entwickeln. Ich bin froh, dass die Arbeit, die ich, aber auch andere Kollegen, beim VDI leisten, im Unternehmen so eine hohe Wertschätzung hat.
Ist das Ihr einziges Aufgabenfeld?
Nein, das ist nur ein kleiner Teil. Als Technical Consultant bin ich Ansprechpartner für alle Unternehmen im weisstechnik Firmenverbund bei Fragen rund um Sonderklimatechnik wie Reinräume, Trockenräume und Messräume. Außerdem unterstütze ich die Kollegen unter anderem bei der Auslegung von Komponenten und Anlagen mit technisch hohen Anforderungen und bei der technischen Freigabe von Projekten.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Röhm, und guten Appetit.
Informationshappen Steffen Röhm
Über seinen Vater kam Steffen Röhm früh in Kontakt mit Gebäudetechnik. Konsequent folgte das Studium zum Dipl.-Ing. Energie- und Wärmetechnik. Nach verschiedenen Stationen bei Anlagenbauern, Handwerksbetrieben und Dienstleistern in der Kälte-, Klima- und Reinraumtechnik, unter anderem auch im Service, kehrte Steffen Röhm vor mehr als sieben Jahren zurück zu Weiss Klimatechnik, wo er heute Technical Consultant ist. Da er sein Hobby zum Beruf gemacht hat, gibt es keinen Grund abzuschalten. Falls doch, macht er es gerne beim 3D-Bogenschießen.