Dr. Michael Leinweber ist Produktmanager Temperatur- und Klimakammern bei Weiss Technik und Projektleiter für die Einführung von CO2 am Standort Balingen. Im Interview spricht er offen über den Einsatz von CO2 als Kältemittel in kompakten Prüfschränken und mögliche Bedenken von Prüfingenieuren und Unternehmen.
Herr Leinweber, Sie haben, unter anderem in Seminaren, mit mehr als 300 Anwendern gesprochen. Was denken Prüfingenieure und Laborbetreiber über den Einsatz von CO2 als Kältemittel?
Zunächst muss ich sagen, dass sich die meisten unserer Kunden nur bedingt für Kältemittel interessieren. Sie haben eine Prüfaufgabe, die sie sicher und zuverlässig erledigen möchten und brauchen dafür eine technisch sichere Lösung, die den gesetzlichen Anforderungen entspricht und gleichzeitig die Kosten für Prüfungen reduziert. Die F-Gase Verordnung fordert von ihnen jetzt aber die Umstellungen eines häufig über viele Jahre stabil funktionierenden Systems. Das führt zu Unsicherheiten, insbesondere, weil bisher noch keine praxisfeste Lösung präsentiert wurde. Viele positiv wirkenden Ergebnisse stammen aus Simulationen oder Laborstudien ohne Prüflinge im Prüfraum oder Proof-of-Concept-Anlagen. Das haben wir jetzt geändert.
Was bietet Weiss Technik mehr als ein Proof-of-Concept?
Als wir Anfang 2024 auf der Automotive Testing Expo in Stuttgart waren, hatten wir zwar ein funktionierendes CO2-System, aber noch kein Serienprodukt. Das haben wir geändert: Seit August haben wir seriennahe CO2-Prüfkammern bei Kunden im Feld und konnten mit ihnen schon viele tausend Betriebsstunden sammeln. Nicht in unserem Labor mit perfekten Bedingungen und leerem Prüfraum, sondern beim realen Kundeneinsatz im Dauerlauf. Die hier gesammelten Daten werden von uns genauestens unter die Lupe genommen, um ein detailliertes Bild des Verhaltens der Kammern im Feld zu bekommen und das Feedback in die Roadmap für die Weiterentwicklung aufzunehmen. Denn eins ist klar: Ganz gleich, wie intensiv wir intern unterschiedliche Temperatur- und Feuchtekombinationen auf unserem Prüffeld prüfen, die Tauglichkeit für den harten Prüfalltag zeigt sich erst, wenn die Anlagen im Einsatz vor Ort sind.
Mit welchen Fragen kommen Laborbetreiber und Prüfingenieure auf Sie zu?
Viele Fragen drehen sich zunächst um die rechtlichen Rahmenbedingungen und die konkreten Auswirkungen auf das Labor: „Was muss ich bis wann umstellen und wie kann ich die Betriebssicherheit meines Labors gewährleisten?“ Wenn diese Fragen geklärt sind, kommen oft Fragen, die einen gewissen Respekt oder sogar eine Angst vor dem Einsatz von CO2 als Kältemittel betreffen – zum einen mit Blick auf den Betriebsdruck, zum anderen, weil CO2 zu Unrecht als giftig wahrgenommen wird.
Warum ist CO2 nicht giftig?
CO2 ist ein nicht-toxisches Gas. Allerdings ist CO2, wie R449A und andere in der Umweltsimulation gängige Kältemittel, sauerstoffverdrängend und unsichtbar. Mit einem praktischen Grenzwert von 0,07 kg/m³ laut DIN EN 378 liegt dieser bei CO2 höher als bei anderen Kältemitteln. Das fällt aber in der Laborpraxis kaum ins Gewicht. Nehmen wir ein Beispiel: In einem 10 x 10 Meter großen Raum mit 2,5 Meter Deckenhöhe dürfen maximal 17,5 kg CO2 pro System vorhanden sein, ohne dass beispielsweise ein CO2-Alarm installiert werden muss. Nur Kunden mit sehr großen Prüfkammern im Bereich mehrerer Kubikmeter werden Kältemittelinhalte in dieser Größenordnung haben. Im Reach-in-Bereich, also bis 2.000 Liter Prüfraumvolumen, liegen wir bei unter 3 kg und sind damit sehr weit von diesem Grenzwert entfernt. Damit besteht selbst im unwahrscheinlichen Fall einer Leckage praktisch nur ein äußerst geringes Risiko.
Wie nehmen Sie Kunden die Angst vor dem hohen Betriebsdruck?
Transkritische CO2-Anlagen, wie unsere CO2-Prüfschränke benötigen einen hohen Betriebsdruck von bis zu 120 bar. Um sie dauerhaft sicher zu machen, haben wir bereits bei Design und Konstruktion entsprechende Maßnahmen ergriffen. Natürlich sind alle eingesetzten Komponenten von den Herstellern für den Druckbereich freigegeben. Zur Sicherheit setzen wir in der Produktion speziell geschulte Kräfte ein und haben unsere Qualitätskontrollen weiter intensiviert. Wir führen Prüfungen gemäß der Druckgeräterichtlinie durch, bevor die Systeme verbaut werden und nochmals im Gesamtsystem. Mögliche Schwachstellen haben wir während der Entwicklung so weit überbeansprucht, dass es zu Havarien kam. Anschließend wurden sie bei Bedarf entsprechend verstärkt, um auf der ganz sicheren Seite zu sein.
Glauben Sie, dass CO2 das Kältemittel der Zukunft ist?
Ja. Natürlich gibt es auch weiterhin Anwendungen, in denen die brachiale Leistung oder die tiefen Temperaturen einer Kaskade benötigt werden. Das ist beispielsweise im Aerospace-Bereich der Fall, wo routinemäßig unter -50 °C geprüft wird. Aber in den meisten anderen Anwendungsfeldern ist CO2 definitiv die Zukunft. Denn CO2 ist ein natürliches Kältemittel mit GWP 1. Das bedeutet, es ist verfügbar und hat keinen negativen Einfluss auf das Klima, erfüllt viele Prüfanforderungen bei niedrigeren Schalldruckpegeln und oft mit niedrigerer Energieaufnahme. Es ist ein Win-Win für alle Seiten, der zum Tragen kommt, nachdem jetzt entsprechende Komponenten zur Verfügung stehen und wir die transkritische CO2-Technologie beherrschen. Mit unserer neuen Gerätegeneration haben wir die technischen Herausforderungen, die sich bei der Nutzung von CO2 als Kältemittel ergeben, souverän gelöst. Das belegen eindrucksvoll die Ergebnisse der Praxistests, die wir seit letztem August durchführen.
Wie unterstützten Sie Kunden gezielt bei der Umstellung?
Zunächst, indem wir mit unseren CO2-Anlagen technisch sichere, wirtschaftliche und zuverlässige Lösungen bieten. Darüber hinaus beraten wir unsere Kunden auch zu sinnvollen Szenarien und Anwendungen für das eigene Prüffeld. So kann es in einem größeren Prüflabor beispielsweise empfehlenswert sein, nur einen Teil der Anlagen auf CO2 umzustellen und einen anderen Teil weiter mit Kaskade zu betreiben, um alle möglichen Anforderungen zukunftssicher erfüllen zu können. Ergänzend dazu entwickeln wir aktuell gerade eine Simulationssoftware, mit der sich Anwendungsfälle konkret simulieren lassen. Das steigert die Investitionssicherheit für Kunden, weil sie damit bereits vorher wissen, welche Prüfungen sie mit welchen Ergebnissen nachher durchführen können.