Wasserstoff steht in der Automobilindustrie wieder auf der Agenda, vor allem bei Nutzfahrzeugen. Was die Substanz zur Kraftquelle macht, macht sie zugleich auch empfindlich. Stichwort Sicherheit. Jörg Ruppert, Ingenieur bei Weiss Technik, erläutert im Interview, was für den Einsatz des explosiven Elements zu prüfen ist.
Einige Fahrzeughersteller berichten, dass sie als Alternative zu Batterien an Antrieben mit Wasserstofftechnik arbeiten. Was sind Ihre Einschätzungen zu Wasserstoffanwendungen im Bereich Mobilität?
Aufgrund der Abkehr von fossilen Energieträgern sowie Förderung von Bund und Ländern zu Wasserstoffanwendungen , gibt es Projekte aus Forschung und Entwicklung, die später auf die Straße kommen. Wasserstofffahrzeuge und deren Komponenten müssen die gleichen Umweltsimulationstests bestehen wie konventionelle Kraftfahrzeuge mit Verbrennungs- oder Elektromotor. Dafür braucht es entsprechende Prüfanlagen.
Spüren Sie bereits eine steigende Nachfrage?
Definitiv. Mit Wasserstoff beschäftigen sich viele Automobilproduzenten, auch die entsprechenden Zulieferer. Also Firmen, die Komponenten bauen, wie Leitungssysteme, Ventile, Tanks oder Sicherheitsausstattung. Was wir ebenfalls verstärkt verzeichnen, sind Anfragen, um bestehende Testanlagen für Wasserstoffanwendungen nachzurüsten.
Welche Umwelteinflüsse müssen im Betrieb von Wasserstofffahrzeugen beachtet werden?
Bei den Umweltsimulationen werden die klassischen Parameter geprüft, wie hohe und niedrige Temperaturen, auch schnelle Wechsel. Dazu Feuchte und Korrosion, die beispielsweise durch Salznebel und bei Offshore-Anwendungen entstehen kann. Ebenso unterschiedliche Witterungsverhältnisse, Bestrahlung durch IR- und UV-Licht (Erhitzung & Alterung). Alles in wenigen Tagen, sozusagen im Zeitraffer.
Was wird zu den Umwelteinflüssen noch getestet?
Wichtig ist, die Auswirkungen von Vibration zu untersuchen, sie kann Undichtigkeit verursachen. Zudem prüfen wir Effekte von Unter- und Überdruck, die vor allem bei Mobilität in Höhenlagen oder bei Fluggeräten von Bedeutung sind.
Lassen Sie uns das Thema „Nachrüsten“ nochmals kurz beleuchten. Kann eine Simulationsanlage, bei der bisher Automobile mit Verbrennungs- oder Elektromotor getestet wurden, problemlos auf die Untersuchung von Wasserstofffahrzeugen umgebaut werden?
Ja, das ist möglich. Am Beginn einer Umrüstung steht eine ausführliche Gefahren-Risikoanalyse. Es gilt genau abzuschätzen, welche Gefahren durch Wasserstoff entstehen, wie man Vorfälle verhindern kann und welche Gegenmaßnahmen bei kritischen Situationen einzuleiten sind. Das heißt: Genaue Inspektion der Anlage vor Ort mit Sichtung, Beratung und individueller Konzepterstellung.
Wasserstoff ist ja recht aggressiv. Was bedeutet das für die Fahrzeugtechnik? Und was für die Tests?
Das stimmt. Wasserstoff reagiert leicht mit Sauerstoff, ist also zündfreudig und hochexplosiv. Das sind Eigenschaften, auf die man sich einstellen muss. Wichtig ist, keine undichten Stellen zu haben, also den Austritt von Wasserstoff zu verhindern. Etwa mit kleinen Bauteilen. Oder Rohre mit doppelter Wandung , also ein Rohr im Rohr, zusätzlich beschichtet, um Korrosion auszuschließen. Mit solchen Versorgungsleitungen arbeiten beispielsweise Anlagen, mit denen Brennstoffzellen getestet werden. Dort gibt es auch Schnellschlussventile, die sofort abriegeln, wenn Wasserstoff frei wird.
Wenn es trotz aller Vorsichtmaßnahmen zu einem Wasserstoffaustritt kommt – was ist zu beachten?
Geschieht das, muss man verhindern, dass ein explosives Gemisch entsteht. Die Menge des frei gewordenen Wasserstoffs,bezogen auf das Raumvolumen und die Dauer des Austritts bestimmen das Risiko. Als Faustformel gilt: Ist die Menge gering und die Zeiteinheit lang, ist es beherrschbar. Ist die Menge groß und die Zeiteinheit kurz, dann wird es gefährlich.
Welche Maßnahmen sind bei einer kritischen Situation notwendig?
Die Gefahr muss man schnell detektieren und signalisieren. Eine weitere Notmaßnahme ist, den Wasserstoff durch Spülung zu verdünnen. Dabei kommt es auch darauf an, wo der Austritt passiert – zum Beispiel bestimmt die Größe des Raums, wie stark der Wasserstoff verdünnt werden muss. Bei konkreter Explosionsgefahr hilft nur noch die Abschaltung der Anlage.
Was bedeutet das für die Fertigung hinsichtlich Verarbeitung und Sauberkeit?
Wasserstoffrohrleitungen und Tanksysteme sind natürlich heikle Bereiche. Verunreinigungen werden dort hauptsächlich durch die Betriebsbedingungen verursacht, wie etwa extreme Temperaturen oder hoher Druck. Auch der Wasserstoff braucht eine entsprechende Reinheit, ansonsten entsteht schnell Korrosion. Sorgfalt ist obligatorisch, sowohl bei der Implementierung im System als auch bei der Verarbeitung, um Undichtigkeiten und Beschädigungen an den Oberflächen zu vermeiden.
Beim Umgang mit Wasserstoff kommt es vor allem auf die Sicherheit an, also auf die Qualität aller Komponenten. Was ist noch Gegenstand der Tests?
Einen Teil der Qualitätssicherung beinhaltet die Performance. So steht die Leistungsfähigkeit der Komponenten ebenso im Mittelpunkt der Tests wie die Sicherheit. Anwender wollen wissen, wie sich die Performance ihrer Bauteile unter welchen Bedingungen verhält. Wann verlieren sie an Leistung, wann gewinnen sie hinzu.
Bei welchen Branchen könnten sich Automobilbauer erfolgreiche Vorgehensweisen beim Umgang mit Wasserstofftechnik abschauen?
Chemie und Energieindustrie. Auch Marine, Aeronautik und Aerospace, mit allen System- und Komponentenlieferanten. Vielleicht fliegen bald Serien - Kleinflugzeuge mit Wasserstoff. Wasserstoffflugzeuge gab es ja schon oder auch Motoren als Wasserstoff-Verbrenner. Einsatz findet Wasserstoff beispielsweise bereits in der Nutzfahrzeugindustrie.
Da bei Entwicklung und den Tests von Wasserstofftechnik ein großer Aufwand für den Schutz betrieben werden muss, stellt sich die Frage, ob man mit Ersatzstoffen arbeiten kann, die ungefährlicher sind?
Die spezifischen Eigenschaften des Wasserstoffs und damit auch sein Risiko lassen sich beim Test durch andere Elemente nicht ersetzen. Daher braucht es eine gezielte Risikobewertung und Gefahrenanalyse mit entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen. Zudem würde ein Ersatzstoff wenig Sinn machen, weil die Produkte die später mit Wasserstoff betrieben werden, dafür auch eine entsprechende Zulassung benötigen.
Bleiben wir zum Schluss noch bei möglichen Ersatzstoffen in der Mobilität. Eine Alternative zu Wasserstoff könnten synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, sein. Ziehen Sie das bei der Entwicklung Ihrer Simulationsanlagen in Betracht?
Wir projektieren unsere Prüfeinrichtungen in enger Abstimmung mit den Kunden. Dabei berücksichtigen wir spezielle Anforderungen, auch bei den Kraftstoffen. Grundlage ist, die Eigenschaften des Werkstoffs zu kennen, die Sensorik darauf auszurichten und den Brandschutz zu beachten. Weiss Technik passt die Systeme auf die jeweilige Risikoanalyse an, zusätzlich beraten und sensibilisieren wir unsere Kunden entsprechend.